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Der Untergibler Brunnen

eine Geschichte aus Elbigenalp

erzählt vom alten Loisemandl (Johann Knittel, gestorben am 6. Nov. 1928)
In meinen jungen Jahren (das alte Loisemandl ist am 18. 1. 1846 geboren) haben die Gibler Bauern im Winter drei Wege zum Lech hinaus gehabt, einen Weg die oberen Bauern, einen die mittleren und einen die unteren Bauern. Da haben sie das Vieh bei aller Kälte und allem Sturm in den Lech hinausgetrieben zur Tränke. Aber nur im Winter, die andere Zeit ist man zum Bellatsbach (Bernhardsbach) gefahren. So war es beim Vieh. Die Bauern hatten für ihren Hausbedarf einen Wasserbanzen im Haus. Aber „wo sollen wir Wasser holen?" Das war oft eine schwierige Frage. Das will ich nun der Vergessenheit entreißen — sagt das Loisenmandl — und erzählen, was alles die Untergibler getan, wo überallhin sie gekommen sind, um sich Trinkwasser zu verschaffen. Um Trinkwasser zu bekommen, haben die Untergibler alles Mögliche versucht. Vor ungefähr hundert Jahren leiteten die Gibler ihr Brunnenwasser von dem "Bachertrögl", d. i. eine Stunde weit, vom Berg herunter. Die Deichelleitung ist zum Teil heute noch sichtbar. Diese Wasserleitung ist aber wieder eingegangen.

Dann hatten die Gibler noch den unteren Brunnen. Der untere Brunnen aber lieferte wenig Wasser und das war kein richtiges Quellwasser, sondern es kam eigentlich vom Stinabachl. Im Winter ist der untere Brunnen abgefroren. Darum mußte man bis zum "Stiegel" hinaus, wo die Brunnenleitung beginnt, und dort einen Deichel aufnehmen, um Wasser zu bekommen. Langsam ist es gegangen. Diese Quelle war so klein, daß man eine halbe Stunde warten mußte, bis ein Banzen voll war. Und wenn auch dieses einzige Brünnlein abfror, so hieß es: Geh' zum Lech hinaus, dort bekommst du noch Wasser! Oberhalb der Bruckstatt, wo die Gibler-Au ausgeht, dort kommt das Obertalgrundwasser des Lechs heraus. Da gefriert der Lech auch im kältesten Winter nicht mehr zu. Da hinaus mußte man, um Wasser zu holen. Einzelne Bauern der tiefer gelegenen Häuser errichteten sich einen Galtbrunnen, mußten aber sehr tief (bis 50 Schuh) graben. Meinem Vater Josef Anton Knittel — er war von Bach — ist der Brunnen stark abgegangen. Er wollte gutes Wasser haben. So hat er bis mitten ins Dorf (Elbigenalp) müssen Wasser holen. Der Dorfbrunnen ist im Winter öfters abgefroren. Daher mußte man das Wasser beim Aumüller gleich am Ausgang der Schlucht holen. Dort hat man einen Deichel aufgemacht. Hier ist der Wasserbanzen schnell voll geworden. Es sind oft 10, ja 20 Wasserbanzen zugleich außen gestanden, um gefüllt zu werden. Die Leute vom oberen Dorfe Elbigenalp mußten im Winter bei der Aumühle den Brunnen auftun, um Wasser zu bekommen. Weil im Gwänd die Deichelleitung ganz frei dahingeht, ist innen die Brunnenleitung im Winter abgefroren.

Also da mußten sie auch im Winter bis zum Aumüller hinauf. Die zwei obersten Häuser in Untergiblen hatten von jeher einen eigenen Brunnen. Das Wasser kommt von den Böden herab. Der "Beiser" und der "Höher" haben ihn miteinander gehabt. Damit mein Vater nicht soweit fahren mußte um das Trinkwasser, sondern diesen Brunnen benützen durfte, so zahlte er den beiden Brunnenbesitzern 60 fl. drein. Aber er hat doch kein Wasser gehabt im Winter. Auch dieser Brunnen ist abgefroren. Wenigstens im Sommer hatte der Vater Trinkwasser in der Nähe, im Winter aber, wenn dieser Brunnen, wofür der Vater soviel eingezahlt hatte, abgefroren ist. — zum Aumüller konnte er nicht gut hinausfahren, es war etwas weit und dann hatten dort die Oberdörfer ihr Wasserrecht — also mußte er zum Stiegele hinauf wie die übrigen Gibler.

Da konnte man oft lange warten, bis eins an die Reihe kam und dann dauerte es erst noch eine halbe Stunde, bis der Banzen voll war. Weil es beim Stiegele mit Wasserfassen so langsam herging, nahm man das Wasser frisch direkt vom Mühlbachl — so nämlich heißt das Stinabachl auch — und ich habe noch Wasser vom "Drandl" her ins Mühlbachl geleitet. Der Nachbar, Christen Toni hat mich geschimpft und gesagt: "Mach das Loch zu! Wirst sehen, es geschieht noch ein Unglück! Da kommt noch die Mure." Aber man hat das Wasser vom Brandl herleiten müssen, weil der Brunnen wieder abgefroren ist. Unglück hat es deswegen keines gegeben. Im Gegenteil! Man hat also jetzt eine Wasserleitung mit größeren Deicheln gemacht und das Wasser vom Mühlbach eingeleitet.

Für den Fall einer Feuersbrunst wurde es so hergerichtet, daß man den Mühlbach selbst in die Brunnenleitung einkehren konnte. Das war wirklich ein Glück für Untergiblen, als im November 1901 das Haus Nr. 12 abbrannte. Das Feuer kam in der Nacht aus. Es herrschte starker Wind, so daß die brennenden Schindeln weithin flogen. Da wurde der ganze Bach in die Wasserleitung eingekehrt und wenigstens die Nachbarhäuser durch ununterbrochenes Spritzen von vier Feuerwehren (Elbigenalp, Bach, Häselgehr und Holzgau) gerettet. Aber das Wasser direkt vom Mühlbach als Brunnenwasser behagte auf die Länge hinaus nicht. Im Sommer war es warm und im Winter unvernünftig kalt, wenn es gar nicht abfror. Nun kehrte man wieder zur früheren Wasserleitung mit der kleinen Quelle zurück.

Wie bereits gesagt, richtiges Quellwasser ist das nicht. Es kommt eigentlich vom Stinabachl und ist Talgrundwasser von demselben und kein Felswasser. Wenn nämlich der Bach groß geht, hat diese Quelle viel Wasser, wenn er klein geht, hat sie wenig Wasser. So ist es auch, wie schon früher gesagt wurde, beim Lech und auch beim Bellatsbach ist es so. Der Bellatsbach hat im Bellatstal drinnen mehr Wasser, außen aber weniger Wasser. Das Wasser versitzt nämlich, es wird Grundwasser. Die Gibler versuchten daher jetzt möglichst viel Talgrundwasser zusammenzuleiten und haben wieder Deichel gelegt und zwar die ersten Deichel dreizöllig. Man ist bei der Mühl vorbeigefahren, wo man für den Fall einer Feuersbrunst auch den Mühlbach einkehren konnte. Aber dann hats nicht mehr getan. Das Wasser ist nimmer durchgekommen. Nun ist es den Giblern eingefallen, eine neue Wasserleitung zu machen mit oben engen (eineinhalbzölligen), unten dagegen weiten (3 zölligen) Deicheln. Auch baute man dann ein eigenes Brunnenhäusl mit 2 Meter tiefem Weiher. Jetzt ist es gar nimmer gegangen. In den Deicheln sind Wurzen, Ungeziefer gewachsen, sie haben nimmer gehebt und sind faul geworden. Nun entschloß man sich, eine ganz moderne Hochdruckwasserleitung zu bauen mit großem Wasserreservoir, eisernen Röhren und vier Hydranten. Man habe es luxusmäßig nobel gemacht, meinte das alte Loisemandl, und habe Geld gehabt wie Mist. Um das Zustandekommen der Gibler Hochdruckwasserleitung bemühte sich auch der Oberoffizial Bailom mit allem Eifer. Sie wurde im Jahre 1926 glücklich vollendet. Die Kosten des Hochdruckes suchte man durch Holzverkauf aus dem Fraktionswalde von Untergiblen zu decken.

So lautet also die Erzählung des alten Loisemandl und zum Schlusse fügte er noch den Wunsch hinzu, man möge dies aufschreiben und in der Gemeindetruhe (Archiv) für spätere Zeiten aufbehalten.

Nachwort. Der heurige strenge Winter 1928/29 hat die Gibler Wasserleitung auf eine harte Probe gestellt. Dabei hat es sich gezeigt, daß das alte Loisemandl recht hatte mit seiner Behauptung, die Gibler Wasserquelle enthalte kein eigentliches Quellwasser, sondern nur Talgrundwasser vom Stinabachl. Bei dieser großen Kälte ließ man nämlich alle Brunnen laufen und auf einmal hatten die fünf obersten Häuser in Untergiblen kein Wasser mehr. Das Stinabachl hatte infolge der Kälte seinen Lauf geändert und war dann allmählich ganz vereist. Durch langes Pickeln und Graben gelang es, demselben wieder seinen alten Lauf zu geben und nun gelangte auch das Wasser im Hochdruck wieder bis zu den obersten Häusern. Hart, sehr hart hatten es die Vorfahren, um Wasser zu bekommen. Davon könnte so mancher Wasserbanzen, der jetzt unbeachtet in einem Hauswinkel liegt, eine lange Geschichte erzählen. Viel, viel Geld und Arbeit haben die Gibler Bauern in die verschiedenen Wasserleitungen hineingesteckt. Wer denkt heute noch daran? Fast vergessen steht der Wasserbanzen in manchem Hause, wenn er überhaupt noch vorhanden ist, vergessen sind auch die Mühen und Sorgen und Schweißtropfen, die allein das Herbeischaffen des Koch- und Trinkwassers bereitete. Heutzutage dreht man den Hahn in der Küche auf und es fließt Wasser heraus. Das heißt man Fortschritt. Und doch waren die Alten bei ihren tausendfältigen Mühen viel zufriedener, glücklicher und genügsamer als heutzutage mancher, der alles bequem hat. Warum das? Heutzutage wollen viele nur genießen. Den Alten ging Arbeiten und Schaffen über alles. Die Freude kam dann von selbst als köstliche Dreingabe dazu. Sie handelten nach dem goldenen Spruche:

Erst die Arbeit, dann das Spiel,
Erst die Reise, dann das Ziel!


Das Loisemandl als Quellenfinder.

Am Bernhardseck befand sich von jeher eine ausgezeichnete Quelle. Einst wurde infolge eines Murbruches die ganze Quelle verschüttet. Sie kam nach und nach in Vergessenheit. Man trank dafür während der schweren Arbeit der Bergmahd minderwertiges Wasser. Das Loisemandl wußte noch von der einstigen Quelle und es nahm sich die Mühe und hat mit einem Stock (langen Stecken) so lange im Boden herumgestochen, bis es wieder angefangen hat zu "sieden", d. h. bis wieder die Quelle zum Vorschein gekommen ist.


Breitachklamm
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reutte, gasthaus, plansee

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