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Schloß und Festung Ehrenberg

Serie aus: Außferner Bote - Feb. 1928
von Josef Knittel

Südlich vom Marktflecken Reutte liegen auf einem Felskegel die Ruinen des Schlosses Ehrenberg. Im Tale und auf den angrenzenden Höhen erblicken wir die Ueberreste der einst mächtigen Befestigungswerke. Zu denselben gehörten auch die befestigten Vorwerke am Kniepasse, ihnen gegenüber die Befestigung Roßschläg, ferners das Fort an der Gaicht, am Eingange ins Tannheimertal und die im Loisachtale bei Ehrwald gelegene Straßensperre "Ehrwald—Schanz". An der Straßenseite gegenüber dem Schlosse Ehrenberg erhebt sich die Ruine der Hochschanze oder das "Fort Klaudia", welches nach der Volkssage seinerzeit mit dem Schlosse Ehrenberg durch einen unterirdischen Gang in Verbindung stand. Westlich vom Schlosse Ehrenberg in ziemlicher Anhöhe ragt der Schloßkopf mit den mächtigen Ruinen der zuletzt entstandenen Befestigungswerke empor.

Alle diese Anlagen in Verbindung mit der Klause am Fernstein mußten bei gehöriger Verteidigung das innere Tirols von dieser Seite jedem Feinde unzugänglich machen.

Noch am Ende des achtzehnten Jahrhunderts umfaßte das Schloß vier Kasernen. 16 Offizierszimmer, ein eingerichtetes Spital nebst einer dem hl. Nikolaus geweihten Kapelle; 56 daselbst befindliche Kanonen mit anderen Kriegsvorräten ließen den Feind einen warmen Empfang erwarten. Den Mangel einer lebenden Quelle mußte in zwei Zisternen gesammeltes Regenwasser ersetzen.

Da in der Nähe der Ruine Ehrenberg wiederholt und auch noch in neuester Zeit römische Münzen gefunden wurden, darf wohl angenommen werden, daß die Festung Ehrenberg aus einem römischen Kastell entstanden ist. Dem Scharfblicke der Römer ist die strategische Wichtigkeit des Platzes, auf dem heute die Ruinen Ehrenbergs aufragen, zur Talsperre sicher nicht entgangen. Graf Meinhard II., Landesfürst von Tirol hat dann etwa um das Jahr 1270 die Festung erneuert und den Bau der Burg begonnen. In vergangenen Zeiten wurde um die "Feste Ehrenberg" häufig gekämpft, sodaß der Boden in dieser Gegend mit dem Blute unserer Ahnen getränkt ist. Wiederholt kamen Feinde und versuchten von hier aus in das Innere Tirols einzudringen. Nachdem schon im Jahre 1406 die Appenzeller die Festung bedroht hatten, gelang es den Schmalkalden 1546 dieselbe zu erobern. Doch erfreuten sie sich nur kurze Zeit des Besitzes, da die Tiroler unter dem Kommando des Feldoberst Ritter von Castlalt von der "Hochschanze" aus den Feind derartig beschossen, daß er abziehen mußte. Als die Tiroler am 5. September zur Mittagszeit das Schloß stürmten, fanden sie nur mehr das leere Nest, wohl aber noch die dampfenden Speisen des bereiteten Mittagessens.

Bald nach dem Einfalle der Schmalkalden gelang es dem Kurfürsten Moritz von Sachsen im Jahre 1552 die Ehrnberger Klause zu stürmen. Die Eroberung des Schlosses ist ihm aber nicht gelungen.

Im dreißigjährigen Kriege (1618—1648) versuchten die Schweden wiederholt, die Festung Ehrenberg zu attakieren, deren Angriffe wurden aber von der todesmutigen Besatzung stets abgewiesen. Doch hatten die Untertanen der Herrschaft Ehrenberg während dieser schrecklichen dreißig Jahre viel Ungemach zu erdulden. Eine unerhörte Teuerung drückte diese Gegend im vollsten Maße. Mangel an Lebensmittel und eine furchtbare Seuche rafften viele dahin. Mit Grasbüscheln im Munde lagen die Leichen an den Zäunen umher und oft fehlte es an Lebenden, um die Toten zu begraben. Dazu kam das unmenschliche Treiben der Schweden. Dieselben banden Leute an die Pferdeschweife und schleppten sie nach, andere schlugen sie mit dem Gewehrkolben halb tot und ließen sie, im Blute schwimmend, liegen. Besonders berüchtigt aber machten dieselben sich durch den sogenannten Schwedentrunk. Derselbe bestand darin, daß sie dem Unglücklichen Hände und Füße mit Riemen banden, ihm den Mund aufsperrten und dann Urin oder Jauche in denselben gossen, bis der Magen und Schlund voll waren. Alsdann wurde die Magengegend des Unglücklichen so lange und so gewaltig mit den Füßen gestampft, bis der Tod sich des Armen erbarmte. Tief waren die Wunden, welche der dreißigjährige Krieg auch dieser Gegend geschlagen.

Nach 55 Friedensjahren kam der spanische Erbfolgekrieg und der Einfall des bayerischen Kurfürsten Max Emanuel in Tirol. Derselbe sandte von Innsbruck aus den General Lützelburg mit 1500 Mann und Geschütz über den Fernpaß, um sich der Feste Ehrenberg zu bemächtigen. Lützelburg besetzte die Hochschanze und eröffnete von hier aus ein heftiges Geschützfeuer gegen das Schloß Ehrenberg. Da jedoch der Festungskommandant Johann Gaudenz, Freiherr von Rost keine Miene machte, die Festung zu übergeben, sandte Lützelburg 60 Reiter und 200 Mann Fußvolk über das Dörfchen Lähn nach Reutte.

Der Markt wurde erobert und der Bürgermeister veranlaßt, ein Schreiben an den Festungskommandanten zu unterzeichnen, worin derselbe aufgefordert wurde, die Festung zu übergeben, damit nicht die ganze Gegend zugrunde gerichtet werde.

Nachdem Baron Rost diese Schrift erhalten und überdies von seinen Leuten verlassen wurde, entschloß er sich zur Uebergabe. So kam durch Vertrag Ehrenberg an die Bayern. Lützelburg besetzte nun die Festung mit 300 Mann und bestellte den Obrist-Wachtmeister Haidon als Kommandanten. Er selbst marschierte mit dem übrigen Teil seines Expeditionskorps zu seinem Kurfürsten zurück.

Nur kurze Zeit konnten sich die Bayern über den so leicht erworbenen Besitz freuen, alsbald sollte es anders kommen. Die Bevölkerung des Gerichtes Ehrenberg erhob sich einmütig und besetzte den oberen Schloßkopf, früher Hornberg genannt. Mehrere Geschütze wurden auf denselben mühsam befördert und ein heftiges Feuer gegen das tiefer liegende Schloß und das Fort Claudia eröffnet, so daß sich der bayerische Festungskommandant Haidon zur Rückgabe der Festung entschließen mußte.

Im Jahre 1717 beherbergte das Schloß Ehrenberg mehrere vornehme Gefangene, u. a. den Sohn des Zaren Peter I., von Rußland. Im Jahre 1720 den 6. Juni mittags fuhr während eines heftigen Gewitters ein Blitzstrahl ins Schloß und zündete. Durch die Bemühungen der Besatzung gelang es den Brand zu löschen, bevor noch der Pulverturm ergriffen wurde.

Im Jahre 1726 wurde der eigentliche Bau der oberen Festung auf dem Hornberge (Schloßkopf) begonnen, aber erst 1741 vollendet.

Mit Dekret der Kriegskanzlei vom 18. Februar 1775 wurde ein Franziskaner des Klosters in Reutte als ständiger Festungskaplan bestimmt und demselben die ganze Besorgung der Garnison von Ehrenberg, und deren Familien in geistlicher Hinsicht überwiesen. Nach den Reformen des Kaisers Josef II. sollten im weiten, großen Reiche nur mehr die Hauptfestungen fortbestehen, die kleinern aber alle aufgelassen und deren Gebäude veräußert werden. Dieses Schicksal traf auch die ehemals berühmte Feste Ehrenberg nach 500jährigem Bestande.


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