Lawinenunglück bei Lähn (1925)
Aus: Ausferner Bote vom 3. Dez. 1925
Lähn, Gemd. Bichlbach, 30. Nov. (Lawinenunglück). — Heute morgens zogen zirka 20 Männer gegen die Krinne im Deggentale um Heu zu holen. Unterwegs brach oberhalb der in einer Reihe dahinschreitenden nichts ahnenden Männer plötzlich eine Lawine los und riß aus der Mitte der Reihe 5 Männer mit in die Tiefe. — Die Zurückgebliebenen suchten selbstverständlich sofort zu helfen. Einige begaben sich auch zurück in das Dorf, um geeignete Werkzeuge, Pickel und Schaufel, und weitere Leute zur Hilfeleistung zu holen. Es ist auch gelungen, alle 5 verschütteten von der Schneelast zu befreien. — Leider waren aber 2 hievon, nämlich der 22 jährige Adolf Nagele, ein Bruder des Lehrers Nagele in Reutte, und der 26 jährige Martin Koch, ein Bruder des Lehrers Koch in Ehrwald, bereits tot. Nagele hatte bedeutende Kopfwunden und scheint an Steine gestoßen zu sein, Koch zeigte nur unbedeutende Verletzungen am Körper und dürfte bei demselben der Erstickungstod eingetreten sein. — Beide sind nicht für die eigenen Familien, sondern für Nachbarsleute in den Heuzug gegangen.
Dazu erhielten wir noch folgenden Bericht.
Bichlbach. 1. Dez. (Der weiße-Tod) — Am 30. November begaben sich 40 Heuzieher aus Lähn - Bichlbach in das Deggental, das sich von der Bleispitze gegen die Bahnlinie Ehrwald - Reutte herabzieht. Gegen 10 Uhr erreichten sie des Oberwirts Scheire (Heustock des Oberwirts) wo sie eine kurze Rast einschalteten. Während dieser löste sich über den ersten fünf eine Lawine, die dieselben zirka 200 m in die Tiefe riß. Von den Verunglückten konnte Nagele Josef, 21 Jahre alt und Koch Martin, 26 Jahre, nur mehr als Leiche geborgen werden, während Hosp Ernst, Schennach Heinrich und Zotz Anton mit leichten Verletzungen davonkamen.
Aus: Ausferner Bote vom 10. Dez. 1925
Lähn. Das Begräbnis der beiden verunglückten Jünglinge Martin Koch und Adolf Nagele gestaltete sich zu einer ergreifenden und feierlichen Kundgebung der Trauer
und Anteilnahme von nah und fern, trotz des eingetretenen Schneefalles. Musik und Feuerwehr begleiteten den Kondukt mit 6 geistl. Herrn. Die Kirche faßte kaum die vielen Leidtragenden, die gekommen waren, an den traurigen Leichenzügen teilzunehmen, und überall sah man von Mitleid und Weh heftig Weinende, nicht nur Frauen und Mädchen, auch viele Männer wurden durch dieses Unglück, durch das zwei junge, blühende und hoffnungsvolle Menschen dem weißen Tode zum Opfer fielen, zu Tränen gerührt. Zuerst wurde Ad. Nagele zur letzten Ruhe gebettet und darauf Martin Koch. Es war des Herrn Wille und er wird ihnen gewiß ein gnädiger und barmherziger Richter sein. Unser hochw. Herr Pfarrer hielt ihnen noch am Sonntag einen warmen Nachruf, verbunden mit der Mahnung an die Lebenden, bereit zu sein, weil man den Tag, noch die Stunde weiß, wenn das Ende ist. Von den drei andern Verschütteten geht es dem Ernst Hosp besser u. wird er sich bald erholen, die beiden andern Anton Zotz, Vater einer zahlr. Familie und Heinrich Schennach werden noch einige Zeit brauchen, bis sie ihre frühere Elastizität zurückgewinnen. Ersterer wollte trotzdem an der Bestattung teilnehmen, aber er brachte keinen Fuß über die Schwelle, so schwer waren sie, hervorgerufen durch den Druck der Schneemassen u. den Schrecken der in sie gefahren ist. Einige Tage früher schon verunglückte im gleichen Revier der Familienvater und Kriegsinvalide Martin Kätzler, ein Bruder des hochw. Herrn Pfarrers in Heiterwang, welcher sich den linken Unterschenkel brach, weil er die Herrschaft über den Schlitten verlor.
— Ja, die Bauern in diesem Revier sind nicht zu beneiden, wahrlich, die im Sommer an den steilen Abhängen mähen und im Winter das Heu mit eigener Lebensgefahr herunter holen müssen für ihren Viehstand, da wäre es auch nicht mehr als billig, wenn sie den ihnen gebührenden Wert erhielten und nicht durch selbsüchtige Manipulationen teilweis um den sauer verdienten Erlös kommen.
Bichlbach. Zum Lawinenunglück erfahren wir noch, daß sich die Bergungsarbeit infolge der noch immer drohenden Lawinengefahr sehr gefährlich gestalteten, trotzdem aber von der Bergungsmannschaft mit großem Mut und viel Aufopferung durchgeführt wurden. Zu danken ist auch den Eisenbahnoberbauarbeitern, die sich in mustergiltiger Weise betätigt haben. Die Beerdigung der beiden auf so tragische Art Verunglückten fand am 2. ds. Mts. unter Assistenz von 6 Geistlichen und unter Teilnahme einer sehr großen Anzahl Leidtragender statt. — Am selben Tag waren auch von Bichlbach zirka 30 Männer am Mähberg bei steter Lawinengefahr beim Heuziehen. Gegen Abend ging dann auch eine ziemlich große Staublawine nieder und konnten sich 4 Mann und 2 Pferde durch die Zurufe des von der Bergungsaktion zurückkehrenden Gend.-Insp. Weirather aufmerksam gemacht, in Sicherheit bringen.