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Das Standhaus

Aus: Außferner Bote vom 23. Feb. 1929 - G. Tinkhausers Diözesan-Beschreibung
Wie an vielen anderen Orten, so befand sich auch in Tannheim und in der Nähe der Pfarrkirche und des Widums ein Standhaus, das von der Kirche in Stand gehalten wurde. Es hatte den Zweck, den Leuten, die aus dem Tale zum Gottesdienste herbeikamen, bei schlechtem Wetter Schutz und Unterkunft zu bieten. Ueber dieses Standhaus berichtet der Pfarrer Georg Falger 1695 an die geistliche Behörde in Augsburg: 'Dieses Haus werde aber in der letzten Zeit zu leichtfertigen Tänzen mißbraucht und die weltliche Behörde tut nichts dagegen. Zur Verhütung des Tanzens möchte daher doch wenigstens der Fußboden dieses Hauses mit Steinen gepflastert werden.'

Wegen des Tanzunfuges beklagte sich der Pfarrer auch beim Pfleger von Ernberg, Franz Karl Freiherrn von Rost und bat um Abhilfe. Daraufhin beauftragte dieser den Gerichtsammann Thoman Tauscher dagegen einzuschreiten. Am 25. Dezember 1695 versammelte sich nun der Gemeindeausschuß von Thannheim und beide, Ammann und Ausschuß, beschlossen einstimmig, das Verlangen des Pfarrers, der Boden des 'Stand-Hauses' soll mit Steinen belegt werden, abzuweisen. In dem hierüber aufgesetzten Protokoll heißt es: 'Wider altes Herkommen soll keine Neuerung eingeführt oder gestattet werden. Eine Pflasterung würde viel mehr Schaden als Nutzen verursachen. Kein Handwerker kann, ohne sich selbst zu schaden, die Arbeit niederlegen, zumal er schon beim Gotteshaus in der einen oder anderen Arbeit gröblich verhindert wird. Derowegen hätte der Gerichtsammann, item Gerichtsausschuß beschlossen, obwohl es dermalen nicht von Nöten wäre, im gedachten Tanz- oder Standhaus einen neuen Boden von dreizölligen Brettern legen und machen zu lassen. Was den Tanz anbelangt, ist allzeit ein solch öffentlicher Tanz durch die ledigen Gesellen, gleich wie an anderen Orten, gehalten worden. Obzwar der Pfarrer vermeint, man soll solchen Tanz in Bauern- oder anderen Winkelhäusern halten oder zulassen, findet dies der Herr Gerichtsammann, item Gerichtsausschuß nicht für ratssam, weil dann viel mehr unkeusche Stücke verübet und der liebe Gott beleidigt würde, als durch öffentliche Tänze. Soviel aber die Mummereien oder Schämen am Aschermittwoch anbelangt, kann solches, wenn diese in Reutte und in Tirol auch abgeschafft würden, wohl unterbleiben.'

Bei der im Jahre 1711 stattgefundenen kanonischen Visitation dahier sandte der Pfarrer Falger wieder einen Bericht über die Zustände in seiner Pfarre ein, aus dem ersichtlich war, daß so ziemlich alles beim Alten geblieben, natürlich auch das Mißbräuchliche. Das Standhaus bei der Pfarrkirche wurde noch immer zu öffentlichen Tanzlustbarkeiten benützt.

Nun ist das Standhaus längst verschwunden; man kennt nicht einmal die Stelle mehr, wo es stand. Wahrscheinlich dürfte es beim Beginn des Baues der gegenwärtigen Kirche (1722) abgetragen worden sein.


Gramais
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Gemstobelbrücke
gemstobelbrücke, gaichtpass, gemstalbrücke

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