Aus: Ausferner Bote vom 3. Sep. 1925 Reutte. (Todesfall). Am 31. August starb Herr Emilian Kobelenz im hohen Alter von 86 Jahren. Damit ging ein Stück Alt-Reutte dahin, ein Mann nach altem Schrott und Korn, ein echter Alttiroler. Herr Kobelenz bekleidete in der Zeit, als es noch keine Bahn gab und der Verkehr Außerferns über den Fern ging, das Amt eines Lenkers des Stellwagens, der im Sommer täglich zwischen Reutte und Imst hin- und hergondelte. In dieser Stellung, die er mit größter Hingabe und Gewissenhaftigkeit durch sehr viele Jahre hindurch ausfüllte, war er weithin bekannt und durch seinen goldenen Humor überall geschätzt. Das erste Aufkommen der Autos sah der Verewigte nicht gerne. Wenn so ein Schnellwagen daherkam und die Stellwagenrosse scheu machte, da konnte Herr Kobelenz in große Wallung geraten. Mit der letzten Stellwagenfahrt trat auch Herr Kobelenz von der Oeffentlichkeit zurück und und lebte noch immer rüstig auf seinem schönen Besitze am Fuße des Wolfsberges seinen häuslichen Arbeiten. Möge ihm die Erde leicht sein.
Aus: Ausferner Bote vom 10. Sep. 1925 Reutte. (Erinnerungen an Vater Koblenz). Wiederum verschied in Reutte ein Original und damit ein Stück Geschichte aus der alten Zeit. Wer hätte ihn nicht gekannt, den alten Postkutscher vom Wolfsberg, dem durch Jahrzehnte hindurch das Schicksal der Postwagenfahrt über den Fern nach Imst anvertraut war. Damals gab's noch keine Landein-Landausbahn und auch von Kempten her reichte die Bahnverbindung nur bis Pfronten. Der Postwagen und dazu in der Sommerzeit der Stellwagen bildeten die einzigen Verkehrsvehikel für die Bevölkerung. Vater Koblenz war damals in der Blüte der Jahre. Zwar schon frühzeitig ehrwürdig grau im Aussehen, war er doch voll köstlichen Humors, vermischt mit etwas Grießgrämigkeit gegen sumsete Weiber. Einheimische und Fremde lieferte er in Massen landeinwärts. Je weiter Sie mit ihm fuhren, desto lieber war es ihm; stets war sein Prinzip "Die über den Fern fahren, haben den Vorzug". Sein Gefährt war dem biederen Mann seine Freude und namentlich dann, wenn er eine lustige Reisegesellschaft mitzuführen hatte. Am lebendigsten war der Betrieb, wenn die Studenten kamen und gingen. Bereits Tage zuvor meldeten besorgte Mütter deren Kommen oder Gehen bei ihm an und baten ihn um Beaufsichtigung und gute Ueberbringung der übermütigen Gesellschaft. Ei wie ging's da zu, wenn da der ganze Omnibus bis aufs letzte Plätzchen und auch das Dach besetzt war. Da lachte unserm
Studentenvater das Herz. "Hab’n wir alle Buaba", rief er besorgt, "dann fahr' mar". Er schwang sich auf seinen Sitz, hielt nochmals Umschau, gab dann dem Roß einen leichten Schmitz und hurtig ging's dahin. In Nassereith wurde Mittag gemacht. Der Wagen leerte sich und alles stürmte unter heller Gaude in die Wirtsstube. Die Gesellschaft wurde nun meist recht übermütig und Vater Koblenz bekam oft seine liebe Not den Kerlen ein wenig Ernst zum Weiterfahren beizubringen, ja er mußte oft gar wild werden. Um 4 Uhr landete man dann glücklich am Imster Bahnhof, wo, wenn's notwendig war, wieder Versöhnung gefeiert wurde. Wehmütig nahm man Abschied von Vater Koblenz und trug ihm noch ein Packl Grüße für die Heimat auf. Unserem Freunde kamen schier die Tränen in die Augen, wenn der Zug mit der lustigen Gesellschaft davonrollte und er nun allein mit leerem Wagen zurück sollte. Die letzten Jahre unmittelbar vor dem Kriege brachten andere Zeiten und vielfach auch andere Sitten. So zog sich Vater Koblenz von allem vergrämt zurück und lebte ganz für sich zu Hause. Er konnte
sich wohl nie in die jetzigen Verhältnisse hineinfinden und so war ihm der Tod Erlösung von den Beschwerden seines hohen Alters. St. Petrus wird ihn wohl für seine treuen Dienste auf goldenem Wagen in die ewige Heimat geleiten, wo er ruhen möge in Frieden.