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Die Verwüstungen des Moritz von Sachsen bei dem Rückmarsch durch Oberinntal und Reutte (1552)
Aus: Volks- u. Schützenzeitung - Jahrgang 22 vom 27. Dez. 1867
Die Verwüstungen der Truppen des Churfürsten Moritz von Sachsen auf ihrem Rückmarsch von Innsbruck durch Oberinnthal und Reutte im Jahre 1552.
Während noch die Stadt Innsbruck den freudigsten Dank zum Himmel schickte, daß sie mit so geringem Schaden von dem fremden Kriegsvolke befreit wurde, erscholl aus dem Oberinnthale bereits der Hilferuf des Jammers und der Noth.

Moritz von Sachsen (1559)
Vor den Mauern von Innsbruck schien das Kriegsvolk aller Disciplin enthoben und seinem Muthwillen überlassen worden zu sein. In kurzen Tagereisen schleppte sich das Volk aus dem Lande. Der erste Tagmarsch ging bis Zirl. Der zweite (26. Mai) bis Telfs, der dritte bis Nassereith, der vierte (28. Mai) bis Lermoos, der fünfte an die Ehrenberger Klause und Füssen. Von Innsbruck weg auf beiden Seiten des Innstroms hinaufziehend, nahmen die Soldaten den Bauern Pferde und Wägen fort, leerten die Ställe, schlugen Thüren, Fenster und Oefen ein, und trieben sonst Unfug aller Art mit Leuten und Sachen. Die Plünderung des reichen Gotteshauses zu Seefeld, wohin das beutelustige Volk von Zirl aus einen Raubzug unternommen hatte, wurde noch glücklich vereitelt, da die Regierung sofort den Grafen Johann von Lodron mit Mannschaft dahin zum Schutze der am Hofe des Königs in besonderer Gunst stehenden Kirche beordert hatte.
Die Grausamkeit und Beutelust des Kriegsvolkes wuchs mit jedem Schritte seines Rückmarsches. Eine Menge von Kirchen wurden geplündert, das heil. Sakrament aus
den Tabernakeln gerissen und mit Füßen getreten, die Kirchenzierden geraubt oder zerstört. In Miemingen wurden 15 Häuser niedergebrannt. Auch das Schloß Klamm und das Schlößchen Freundsheim bei Barwis, wo um dieselbe Zeit viele lustige "Gesellenschießen" abgehalten wurden, sind von den abziehenden Truppen arg zugerichtet worden.
Des Raubes und Frevels auf der Heerstraße nicht satt geworden, bog eine Abtheilung von derselben ab, um das Kloster Stams zu plündern. Unvermerkt waren die Räuber da, erzählt der Stifts-Chronist, so daß sowohl dem Abt als den Mönchen kaum Zeit zur Flucht blieb. Der Abt, Simon Gaßler, nahm noch einige Silbergeschirre, die er in seiner Nähe fand, und floh zu Pferde nach Wens, nachdem er sich von vier Bauern, die ihn auf dem Wege anhielten, mit vier Gulden losgekauft hatte. Die Patres flohen in das nahe Gebirge, wo sie sich im Stalle eines Bauern in Haunold verbargen. Einer der flüchtigen Brüder war noch so glücklich, das Haupt des heil. Zacharias und den Krummstab des Prälaten zu retten. Inzwischen wurde von den Soldaten alles, was sie finden konnten, geraubt und geplündert, zerschlagen und zerstört, je nachdem die Sachen in ihren Augen für das eine oder das andere geeignet schienen. "Kirche und Sakristei wurden im Detail durchsucht und alles, was an Paramenten, Gefäßen, Meßgewändern u.s.w. zu finden war, geraubt.
Auch die Gruft, in welcher die irdischen Reste der Landesfürsten seit Jahrhunderten ruhten, wurde erbrochen, die Leichname wurden aus den Särgen gerissen und der Kleinodien beraubt, welche die Fürsten und Fürstinnen noch an ihren Körpern trugen. Im Kloster selbst wurden alle Thüren aufgesprengt, alle Kästen zertrümmert, alle Fenster und alle Oefen eingeschlagen, und sämtliche Gegenstände, die sich zum Gebrauche des Kriegsvolks oder zum Verkaufe eigneten, genommen, auf die Klosterwägen geladen und mit des Klosters Pferden hinweggeführt. Einer von den Kriegsknechten, der seine besondere Freude an einem schwer mit Gold durchwirkten Levitenrocke hatte, schnitt sich denselben zu seinem Privatgebrauch zu und schmückte damit seinen Leib. Da er aber mehr als seine Kameraden dem Inhalt des Kellers zugesetzt, vermochte er dem vorauseilenden Zuge nicht mehr nachzukommen, und wurde in der Nähe des Stiftes von einem getreuen Unterthan desselben getödtet, ohne daß, wie der Chronist sagt, "ob dieses Mordes ein Hahn darnach gekräht hätte."
Weniger getreu erwiesen sich die übrigen Unterthanen und die Domesticken des Stiftes. Sie machten sich das Unglück des reichen Klosters zu Nutzen und verschleppten, was der Feind an Lebensmitteln u. dgl. nicht fortzubringen im Stande war, so daß die zurückkehrenden Klosterbrüder Kirche und Wohnungen nicht blos verwüstet, sondern auch vollkommen ausgeplündert fanden. Unter den eigenen Leuten des Klosters, welche an der Beraubung desselben Theil nahmen, befand sich auch ein Verwandter des Prälaten, Simon Gaßler, Schuster zu Staudach. An einem verborgenen Orte befand sich nämlich eine Kiste mit Kirchen- und Profangefäßen von Silber; den dem Feinde entgangenen Schatz behob nun der ungetreue Freund. Als Diener des Abtes war es ihm leicht, den Schlüssel zur Silbertruhe zu finden. Mit
vier Genossen öffnete er die Kiste, nahm den Silberschatz und theilte denselben in einem Stalle mit seinen Helfern. Diese waren Georg Strigl, Fischer zu Stams, Hanns Keßler, "Vormader" daselbst, Bastl Egelin, Gerichtsfrohnbot zu Stams, und Jörg Hausegger, gewesener Knecht zu Stams. Da auch dieser Raub den "Schmalkaldnern" zugeschrieben wurde, blieb derselbe verborgen, bis er durch den Verkauf eines silbernen Gefäßes aufkam. Der Verkäufer gestand, als ihm auf Schloß Petersberg die Wahl zwischen Bekenntniß und Folter gestellt wurde, und gab auch sofort seine Mitschuldigen an. Am 17. Dez. wurden die Diebe nach Landesrechten abgeurtheilt, vier zum Strick, einer, der Hausegger, zu ewigem Kerker. Da es aber in höheren Kreisen nicht angemessen erschien, den Vetter eines Prälaten zu hängen, die genannten fünf Diebe auch "zuvor von männiglich für fromm und gut und erbar Leut erkannt" worden waren, so setzte sich außer dem Prälaten und dem Konvent eine Menge vornehmer Leute und schließlich auch der prinzeßliche Hof daran, die Begnadigung der Schelme zu erwirken, was auch natürlich gelang. König Ferdinand schenkte ihnen das Leben; doch sollten sie in anderweg ihre Frevelthat büßen, und da der Prinz von Doria zu wiederholten Malen die Regierung angegangen, Leute, welche das Leben verwirkt, statt zu hängen oder zu köpfen, ihm zu Matrosen zu verabfolgen, so schlug die Regierung dem Landesfürsten vor, die Stamser Malefizigen dem Prinzen Doria zu schenken. König Ferdinand, welcher darin die Begnadigung, die er ausgesprochen, nicht finden konnte, ging auf diesen Vorschlag nicht ein, sondern schenkte ihnen nach einiger Zeit die Freiheit.
Doch kehren wir zum Kriegsvolke zurück
Die geplünderten Dörfer und Kirchen und die brennenden Häuser von Miemingen hinter sich lassend, kamen die Truppen der deutschen Kriegsfürsten nach Nassereith, wo wieder jeder Soldat nahm, was er fand. Hier endete jedoch der Raubzug, nicht als ob die Lust zu weiteren derlei Unternehmungen befriedigt worden wäre, sondern weil das Objekt dafür ganz und gar fehlte. Nur an der Klause Fernstein waren noch die Fenster und Oefen einzuschlagen und die Dachung zu zerstören, was denn auch sofort geschah, und womit das Zerstörungswerk der von
Innsbruck abgezogenen Truppen in der Hauptsache als vollendet betrachtet werden kann.
Mittlerweile hatten nämlich die vor Ehrenberg lagernden Truppen den von Innsbruck zurückkehrenden Brüdern entgegengearbeitet und von Reutte bis Fernstein dasselbe
Werk der Zerstörung und Plünderung, nur noch viel gründlicher, durchgeführt.
In der zwischen den beiden Pässen Ehrenberg und Fernstein gelegenen Gegend Zwischenthoren wurde die ganze Bevölkerung verjagt und vertrieben, und nicht allein genommen, was sich vorfand, sondern auch alles Vieh von den Alpen und sonst, wo es gefunden wurde, abgetrieben. Die Häuser wurden eingerissen, und was die Kriegsknechte nicht niederreißen konnten, "sonst verderbt und zerschlagen, daß es ein Jammer zu sehen war." Und auf diese Weise sind 4000 Menschen, jung und alt in das Elend gestürzt. Mit dem Hunger ringend, lagen die aus den Schlupfwinkeln zurückgekehrten Leute auf den Wegen und bettelten die Vorübergehenden um ein Stücklein Brodes an. Glücklicher Weise waren die von der
Regierung dahin abgesendeten Mehlfässer und sonstigen Nahrungsmittel noch frühzeitig genug eingetroffen, um dem letzten Stadium der Noth, dem Hungertode vorzubeugen.
Am 29. Mai endlich war der Tag der Erlösung Tirols von den Horden des Herzogs Moriz von Sachsen.
An diesem Tage zog die ganze vereinte Macht, 31 Fähnlein stark, zu Fuß und zu Roß nach Füssen ab, mit vieler Beute zwar, aber mit wenig Ruhm und Ehren.
An der Ehrenberger Klause wurde noch alles, was noch nicht zerstört war, zu Grunde gerichtet, selbst alle Gräben noch eingeworfen. Auf dem Schlachtfeld von
Reutte ließen sie halbvergrabene Leichen zurück, in der Ortschaft Reutte selbst die rauchenden Trümmer mehrerer eingeäscherter Häuser. Auch das landesfürstliche Jägerhaus bei Reutte sollte ihren Abmarsch durch eine Feuersäule verkünden.
Ein komischer Zwischenfall trug sich nach dem Abzuge der Verbündeten zu. Bei ihrem Abmarsche von der Klause ließ der Landgraf von Hessen gegen die früheren Verabredungen und das spezielle Zugeständniß des Churfürsten Moriz drei Geschütze des Königs Ferdinand und einige Geschütze, die dem Kardinal von Augsburg gehörten, sammt der vorfindlichen Munition mitnehmen. Die Geschütze Ferdinands waren mit dem königlichen Wappen verziert, ein Irrthum konnte daher nicht untergelaufen sein. Die Regierung, welche von dieser Annexion noch nichts gehört hatte, schickte Dr. Christof Reichlin und Hanns Jakob Widmann als Kommissäre, ferner einen Geschirrmeister mit Wagen und Pferden nach Ehrenberg, um das königliche Geschütz zu erheben und nach Innsbruck zu bringen. Die Kommissäre fanden aber statt sechs königliche Geschütze nur drei vor, und erhielten auf ihre Nachfrage die Aufklärung, der junge Landgraf von Hessen habe zwei tirolischen Fuhrleuten sechs Pferde genommen, sie an die drei Geschütze, drei große Falkonen, gespannt und sei damit auf Augsburg gefahren. Ferner hätte er viel Munition, bei vierthalb Tausend Kugeln, einen Wagen mit Pulver und Blei und an 200 Harnische, alles Eigenthum des Königs Ferdinand, fortführen lassen. Ein Kommissär und ein Trompeter, welche den abgezogenen Truppen nacheilten, kamen aus deren Lager unverrichteter Sache wieder zurück. König Ferdinand nahm die Nachricht, daß der Landgraf von Hessen ihm drei Geschütze genommen habe, mit großem Mißfallen auf. Er hätte sich, schreibt der König, "einer solchen aller Abrede zuwiderlaufenden Handlung nicht versehen." Auch ließ er durch Freiherrn von Wolfenstein diesetwegen den Herzog Moriz interpelliren. Die Regierung machte neue Anstrengungen, die Geschütze wieder zurückzuerhalten und sendete eigene Boten und Schreiben an die Stadt Augsburg, die Stadt Donauwörth und den Pfalzgrafen Otto Heinrich, um Nachricht zu erhalten, wohin die drei Geschütze gekommen, allein alle Nachforschung war vergebens, Roß, Geschütz und Harnisch sahn die Eigenthümer nicht wieder.