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Tannheim im Jahre 1796

Aus: Allgemeiner Tiroler Anzeiger vom 24. Jän. 1908
Von A. Kl.

Bald werden 100 Jahre verflossen sein seit jener Zeit, in der das Tirolervolk ganz besonders seinen Heldenmut und seine Kaisertreue bewiesen hat. Ganz Tirol, jedes Tal und jedes Dörfchen hat dazumal zur Befreiung des Landes aus Feindeshänden eifrig mitgearbeitet, einmütig hat sich das Volk wider "eine Welt in Waffen" erhoben und hat das angestrebte Ziel unter Mitwirkung aller auch für kurze Zeit erreicht. Es möge mir gestattet sein, aus Anlaß der kommenden Centenarfeier eine Episode aus den Tiroler Freiheitskämpfen hier zu erzählen, nämlich wie im Jahre 1796 die Franzosen aus dem Tannheimertale vertrieben wurden.

Ich glaube umso eher berechtigt zu sein, hierüber etwas Näheres zu berichten, da ich der tirolischen Heimatskunde einen Dienst zu erweisen hoffe, weil über dieses Gebiet, so weit ich mich orientieren konnte, noch nichts veröffentlicht wurde.

Bregenz war am 10. August 1796 der französischen Scheinarmee, welche von Jourdan geführt wurde, in die Hände gefallen. Nach diesem Vorfalle stand dem Feinde der Weg durch den bayrischen Allgäu offen, da das kaiserliche Heer sich vor den Franzosen geflüchtet hatte.
Diese ergossen sich auch sofort nach dem Falle von Bregenz über die bayrische Hochebene, um an die tirolische Grenze zu gelangen. Es wurde geplant, in das Tannheimertal, als zunächstliegend, einzufallen und von da über Außerfern in das Innere von Tirol einzudringen, um sich mit Jouberts Armee zu verbinden. Gelang dies, so war das Land voraussichtlich verloren. In der Erkenntnis dieser Sachlage wurden drei Schützenkompagnien an die Grenze beordert, es waren dies die Innsbrucker und Silzer Scharf- und Flintenschützenkompagnien, welche Marberger, Amtsrichter in Silz, und Hußl, Kaufmann in Innsbruck, befehligte.

Schon Ende Juli waren äußerst beunruhigende Gerüchte nach Tannheim gedrungen, es hieß, die Franzosen hätten die kaiserliche Armee gesprengt und die wichtigsten Plätze des Allgäu eingenommen. Ja am 28. Juli langte in aller Morgenfrühe ein Eilbote aus Hindelang an, der die Nachricht überbrachte, daß ein französischer Heerhaufe sich unweit Sonthofen befinde. Sofort wurde Sturm geschlagen und die Kompagnien rückten an die Grenze. Es zeigten sich aber nirgends Feinde und wie sich herausstellte, war ein kaiserliches Husarenregiment, welches bei Immenstadt stand, die Ursache des Franzosenlärms. Am 10. August spielte sich in Tannheim ein Vorfall ab, der deutlich beweist, wie hoch damals die Erregung im Tale gestiegen war. Der Erzbischof von Augsburg hatte vom Gubernium die Erlaubnis erhalten, Pferde und andere Zugtiere nach Tirol hereinzuflüchten. Am 10. August ritt die Dienerschaft des Erzbischofs mit den Tieren durch das Tannheimertal, auf Befragen erteilte sie den Hauptleuten keinerlei Auskunft. Die Schützenkompagnien glaubten Franzosen vor sich zu haben und nahmen Pferde und Diener in Gewahrsam, selbst den Oberstallmeister, der sich mit der Gubernialerlaubnis ausweisen konnte, verfiel demselben Schicksal. Über diesen Vorgang wurde nach Reutte berichtet und als von da aus die Aufklärung erfolgt war, wurden die Bischöflichen freigelassen.

An ebendemselben 10. August war, wie wir schon oben bemerkten, Bregenz in die Hände der Franzosen gefallen, die Nachricht hievon steigerte in Tannheim die Verwirrung aufs höchste. Anfangs glaubte man nicht recht daran, Gewißheit aber brachte die fluchtartige Eile des kaiserlichen Heeres und die Brände, welche den Abendhimmel erhellten und so das Herannahen der Franzosen bezeichneten. Der Rückzug der kaiserlichen Armee dauerte bis ungefähr den 25. August. An diesem Tage kam Bolteser als Grenzkommandant von Reutte nach Tannheim. Er gab der Bevölkerung die Weisung, sich ruhig zu verhalten, da von den Franzosen nicht das Geringste zu befürchten sei, seine sonstigen Anordnungen bekundeten das Gegenteil. Die Schützen und Soldaten, welche sich am Jochberg gelagert hatten, wurden beordert, sich zurückzuziehen. Hiebei benahm sich das kaiserliche Militär in der schamlosesten Weise. Wirtshäuser und Privatwohnungen wurden ausgeplündert, den armen Leuten der letzte Heller abgepreßt. Die Offiziere hielten es nicht der Mühe wert, den Ausschreitungen Einhalt zu gebieten und die Soldaten erklärten ihr Vorgehen damit, daß die Franzosen ohnedies in drei Stunden kommen würden und es gleichgültig sei, wer raube. Ungeheuer und kaum zu beschreiben war der Schreck und die Verwirrung, die entstanden. Alles eilte zu vergraben und zu verbergen was es konnte. Weiber und Kinder flüchteten sich trotz der herbstlichen Jahreszeit in das Gebirge.

Wie es mit der Tapferkeit und Heldenhaftigkeit der Innsbrucker Scharfschützen bestellt sei, konnte man deutlich beim Abmarsche dieser Truppen wahrnehmen. Zufällig traf es sich, daß die Innsbrucker beinahe als die letzten abziehen mußten, sie wollten hiebei aus Furcht vor den Franzosen fast verzweifeln und insbesondere zeichnete sich dadurch Hauptmann Hußl aus, welcher den Gerichtsmann Georg Zobl mit dem Tode bedrohte, wenn er nicht sogleich Pferde zur Abreise herbeischaffe.

Am nächsten Tage, am 26. August - es war ein Sonntag - schien das früher so belebte Tannheim wie ausgestorben. Die meisten Leute hatten sich mit ihrer beweglichen Habe in die Berge begeben. Abends bemerkte man einige kaiserliche Patrouillen unweit von Tannheim. In der Morgenfrühe des 27. August langten einige kaiserliche Jäger unter Führung eines Höttingers namens Basla in Tannheim an, welche sich alle möglichen Grausamkeiten zuschulden kommen ließen. Was nicht niet- und nagelfest war, wurde geraubt; in den Wirtshäusern drangsalierte man die Bewohnerschaft, welche allmählich zurückzukehren begann. Im Laufe dieser und der folgenden Tage lagerten sich im Dorfe einige Husarenregimenter, welche in bezug auf Vexation [Anm.: Empfindung von Verärgerung, Frustration oder Peinlichkeit] die Jäger des Basla weit hinter sich ließen.

Am Abend des 27. kamen zu General Kray, welcher das im Tannheimertale stationierte Militär kommandierte, Männer aus Zöblen und Schattwald, um ihm zu berichten, daß sieben französische Kavalleristen gekommen wären und für den nächsten Tag 2000 Fußgänger und 200 Reiter angesagt und den Auftrag erteilt hätten, für jeden Mann ein Pfund Fleisch zu richten. General Kray erteilte die Weisung, man solle sich aus die Gäste einrichten, er glaube zwar nicht, daß die Franzosen die Absicht zu kommen haben, es sei aber immerhin gut, die Feinde zu erwarten und im Falle ihres Kommens sie durch eine Deputation zu beschwichtigen. Die Franzosen kamen nicht, dafür hausten aber die Österreicher ärger als der ärgste Feind, so daß sich die Bevölkerung veranlaßt sah, eine Deputation zum Brigadegeneral St. Julien nach Reutte zu schicken, damit Ruhe und Sicherheit wiederum hergestellt wurde. Dieser erschien am 29. August persönlich im Tannheimertale und gebot dem wüsten Treiben der Soldaten endlich Einhalt, zugleich ließ er das Militär auf das Joch vorrücken.

Den ersten Vorstoß gegen Tannheim unternahmen die Franzosen früh morgens am 13. September. Die Bauern und das Militär leisteten hartnäckigen Widerstand. Die Franzosen sahen ein, daß ihre Mühe nutzlos sei und ver­suchten den Österreichern in den Rücken zu fallen. Sie erklommen zu diesem Zwecke den Oberdorfer Berg. Rechtzeitig bemerkten einige Schützen das Vorhaben des Feindes und eilten an die bedrohte Stelle. Die Franzosen mußten der ungestümen Tapferkeit weichen. Das Militär war ihnen unterdessen in den Rücken gefallen und warf sie nach Sonthofen zurück. Der Kampf gegen den mindestens zehnfach überlegenen Feind hatte bis abends gedauert. Die Franzosen hatten hiebei sehr viele Tote zu beklagen, während die Schützen nur geringe Verluste erlitten. Außerdem wurden 79 Franzosen gefangen genommen und einige Pferde erbeutet. Am 17. September warf dann das Militär und die Schützen die Feinde bis über Kempten hinaus zurück.

So war Tannheim durch den Mut und die Entschlossenheit der Bewohner aus einer großen Gefahr errettet worden.

Aus Dankbarkeit gegen Gott den Herrn wurde der 17. September als Festtag für weltewige Zeiten bestimmt und wird auch noch heute beinahe als das größte aller Feste betrachtet.

Ich habe es unternommen, in kurzen Zügen zu erzählen, wie die Verhältnisse in Tannheim zur Zeit der Franzosenkriege gestanden haben. Man ist gar häufig gewohnt, das Tannheimertal gering zu schätzen, seine Bewohner als unpatriotisch hinzustellen. Dies wird durch meine Ausführungen widerlegt und wenn die Tannheimer heutzutage vielleicht weniger Patriotismus empfinden als früher, so ist meiner Ansicht nach vor allem die Armut hiefür verantwortlich zu machen, welche die Bewohner zwingt, in der Fremde das Brot zu verdienen, das die Heimat nicht gewähren kann.

Schon bessere Anschlußverhältnisse an Österreich würden viel dazu beitragen, den materiellen Wohlstand und damit auch die ideellen Güter unseres sonst braven Volkes zu heben.


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