Die Verleihung des Ammerwaldes an die Marktgemeinde Reutte
durch Kaiser Maximilian I. im Jahre 1493
Aus: Außferner Bote vom 21. Sep. 1929
Von Universitätsprofessor Dr. Dengel
Kaiser Maximilian I. hatte eine große Vorliebe für die Gegend von Reutte, in der er sich am edlen Weidwerk ergötzte. Am Plansee und im Ammerwald hatte er Jagdhäuser. Noch heute existiert in dem Alpinen Museum in München ein bemaltes Holzrelief des Ammerwaldgebletes, das der Kaiser hatte anfertigen lassen (abgebildet bei Hibler, Der Plansee und seine Umgebung, Seite 107). Oft weilte Maximilian auch in dem von Erzherzog Sigmund im Jahre 1489 zum
Markt erhobenen Orte Reutte, dessen Aufstreben er in verständnisvoller Weise förderte. So verlieh er dem jungen Markte im Jahre 1491 das Recht der Aufnahme von Fremden als Bürger, wodurch namentlich die Wochen- und Jahrmärkte sehr belebt wurden. Im gleichen Jahre übertrug er Reutte den Straßenzoll am Katzenberg und im Jahre 1494 machte er den Insassen von 'Ober-Reutte auf der Kög' die Freude, ihnen die Niederlage und Frächterei für alle von Venedig kommenden oder dorthin oder in andere Länder gehenden Güter zu verleihen. So erstand im oberen Markt ein Pallhaus (Umladeplatz für die Warenballen), während Mittel-Reutte schon früher das Kornhaus mit der offenen Marktstätte und Unter-Reutte den Salzstadel zur Einlagerung und Umladung der durchlaufenden Salzfässer bewilligt erhalten hatten. Auch die Wiedereröffnung des Berg- und Hüttenwerkes am Säuling (Hüttenmühle) im Jahre 1510 geht auf einen Verleihbrief des Kaisers an die Brüder Hochstetter aus Augsburg zurück. Dadurch wurden für die armen Pfarrsleute von Reutte und Breitenwang mannigfache Erwerbs- und Verdienstmöglichkeiten geschaffen.
Von allen diesen Begünstigungen hat die Verleihung eines Teiles des Ammerwaldes an die Leute von Reutte und Breitenwang durch Kaiser Maximilian im Jahre 1494 dauernden Wert behalten. Dieses Gebiet, ein Urwald von Tannen, war 'abgedörrt und
verfault', und nun sollten die zum Markt Reutte gehörigen Gerichtsuntertanen von Ernberg in Gewährung der von ihnen vorgebrachten Bitte diesen Boden reuten und räumen und Wiesmähder daraus machen, die sie für immer haben und nutzen durften. Diese Verleihurkunde, die den späteren Holzreichtum der Marktgemeinde begründete, hat den folgenden Wortlaut:
Wir Maximilian von Gottes Gnaden Römischer König zu allen Zeiten, Mehrer des Reichs, zu Ungarn, Dalmatien, Kroatien etc. König, Erzherzog zu Oesterreich, Herzog zu Burgund etc., Graf zu Flandern, zu Tirol etc. bekennen uns den Ammerwald unter dem Plansee, in unserem Gericht Ernberg gelegen, der ein Tanwald gewesen, aber gar abgedorrt und erfaulet ist, daß wir den unsern getreuen N. gemainiglich den Leuten zu Reutte und Praitenwang, so Dienst- und Erbgüter haben und zu dem Markt Reutte gehören, auf ihr demütig Bete und aus sondern Gnaden verliehen und ihnen in Kraft dieses Briefs vergunnt und erlaubt haben, denselben Wald zu reuten, zu raumen und Wiesmähder daraus zu machen, solche Wiesen auch für immer zu haben, zu nutzen und zu nießen, an unser und mennigliches Irrung ungeferde. Mit Urkund dieses Briefs gegeben zu Innsbruck den Freitag nach Sunntag Letare nach Christi Geburt 1493, unserer Reiche des Römischen im achten und des Ungarischen in dritten Jahre.
Da die Grenze zwischen dem Tirolischen und Bayerischen Ammerwald damals nicht genau festgelegt war, erhob der Herzog Albrecht von Bayern bereits 1495 bei der Regierung in Innsbruck über Anbringen des Abtes von Ettal Einspruch, daß die Untertanen von Reutte mit ihren Mitgewandten sich unterstehen, weit in des Herzogs Land und Gebiet zu greifen. Im Jahre 1516 entstand ein neuer Gebietsstreit zwischen dem Stift Ettal und dem Gericht Ernberg, doch scheint der damals geltend gemachte Tirolische Anspruch durchgedrungen zu sein (vgl. Stolz, Politisch-historische Landesbeschreibung von Tirol, Seite 618). Im Jahre 1567 legte die Gemeinde Reutte den Brief des Kaisers Maximilian I. dem Erzherzog Ferdinand II. als Tiroler Landesfürsten zur Bestätigung vor. Derselbe stand nicht an, 'solichen Brief und Begnadung' am 13. Juni dieses Jahres in vollem Umfange zu erneuern (Origianlurkunde auf Pergament mit dem eingefügten Verleihbriefe Maximilians I. im Marktarchiv von Reutte).
Aus dem Jahre 1595 wird berichtet (Stolz, Seite 618), daß die Leute von Ettal sich im Tirolischen Ammerwald das für Waffen so geschätzte Eibenholz (Eibenbogen) holten und die Regierung in Innsbruck beim Abte die Herausgabe des Holzes verlangt hat. Inzwischen hatte sich der Reutte gehörige Boden dank sorgfältiger Pflege mit einem neuen üppigen Baumwuchs überzogen. Die Gemeinde überließ im Jahre 1615 der Stadt Augsburg käuflich das Abstockungsrecht in ihrem Wald im Ammerwald. Auch in der Folgezeit bis zum heutigen Tage blieb der Ammerwald ein kostbares Juwel in den Besitzungen der Marktgemeinde Reutte.